Lassen Sie mich für ein paar Zeilen alle »Abers« und alle sonstigen Einwände vergessen, die man gelegentlich natürlich auch machen könnte. Lassen Sie es mich einfach so sagen, wie es ist: Ich liebe die Fans von Borussia Dortmund! Übrigens bin ich auch einer. Das beste Publikum der Liga, ich gehöre dazu. Jedes Mal, wenn ich rund zwei Stunden vor Spielbeginn den Zug im »Doatmunda Hauptbannof« verlasse, komme ich wieder nach Hause. Ich nehme die Stufen, die ich unzählige Male hinabgestiegen bin und gehe auf Wegen in Richtung Innenstadt, die ich längst mit verbundenen Augen finden würde. Das ein oder andere im Stadtbild hat sich über die Jahre verändert, aber die Töne nicht. Das schwarz-gelb kostümierte Gewusel um mich herum, das »Hömma!«, »Kommse?«, »Allet kla!« Hier ist es schon, das Publikum. Ich war inzwischen an vielen Orten beim Fußball, aber nirgendwo habe ich auch nur annähernd erlebt, dass der Spieltag die Atmosphäre einer ganzen Stadt so bestimmt. Eine Spannung, ein Klang liegt über Dortmund, wenn Borussia spielt.
Das Orchester stimmt sich ein
Die Dortmunder Anhänger sind, machen wir uns nichts vor, vom Glück begünstigt. Während anderswo Fans nach unglaublich strapaziösen Anreisen vielleicht sogar in schlecht durchlüfteten Hallen ihrer Leidenschaft nachgehen müssen, schlendert der Dortmunder Borusse von Lokal zu Lokal, begrüßt bei dem einen oder anderen Pils in der dem Ruhrgebietler angeborenen, gastfreundlichen Art die Besucher von nah und fern, bis er schließlich, um die englische »Times« zu zitieren, »das schönste Stadion der Welt« erreicht.
Schon lange vor Anpfiff füllen sich die Ränge. Zuerst die Südtribüne, das Herz, möglicherweise auch die Leber von Borussia Dortmund. Ich gebe zu, dass ich in den letzten Jahren fast ausschließlich auf »West« gesessen habe. Das aber nur, weil ich von da aus die »Süd« besser sehen kann.
In diesem Stadion wird es nicht nur laut, es wird sehr laut. Und schön laut. Mir geht das Herz auf, wenn die fünfundzwanzigtausend Verrückten auf der größten Stehplatztribüne Europas ausgerechnet zur Melodie von Pippi Langstrumpf klarmachen, wer Deutscher Meister ist und bleibt. Und sie dabei hüpfend die Belastbarkeit der Stadionarchitektur überprüfen. Nobby Dickel, der mehr Zeremonienmeister als Stadionsprecher ist, der »Held von Berlin«, wird auch nach dreiundzwanzig Jahren jedes Mal, wenn er den Sechzehner für seine Ansagen betritt, mit seinem Lied gefeiert, getextet auf den alten »Flipper-Song«. Eine Tatsache, die mich immer wieder ganz besonders für das phantastische Dortmunder Publikum einnimmt, ist die Art und Weise, wie verdiente Ex-BVB-Spieler begrüßt werden, selbst wenn sie im gegnerischen Trikot ins Dortmunder Stadion kommen. Für einen Moment, vor dem Anpfiff, gibt es dann auch für den Gegner Applaus. Denn wer sich einmal für den BVB richtig reingehängt hat, wird nicht vergessen. (Naja, Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel.)
Nobby also hat leichtes Spiel, wenn er die anderen Tribünen auffordert, sich ein Beispiel an der »Süd« zu nehmen. Und wenn’s auf dem Platz losgeht, dann geht der BVB-Fan sowieso mit. Und wie! »Erhobenen Hauptes! Mit Hoffnung im Herzen! Und niemals allein!« In Dortmund gilt »You’ll Never Walk Alone« wirklich. Und geht es beim Fußball nicht genau darum?