(von Uli Deimel) verfasst am 21. April 2012
Als ich letzten Montag mal wieder auf Stippvisite im Borusseum war, hat mir das dortige Quiz-Gerät erneut schwarz auf weiß bescheinigt, ein Herzblut-Borusse zu sein. Womit es wohl recht hat. Dies gestattet es mir hoffentlich, in Zeiten des Erfolges an die andere Seite unserer Borussia zu erinnern.
Vom heutigen Samstag erwarte ich, dass wir zum achten Mal Deutscher Meister werden, und zwar bereits um 17.20 Uhr, weil die Bayern nicht in Bremen gewinnen. Diese Meisterschaft ist verdient, weil wir erstens den geilsten Ball gespielt und zweitens die Schickeria zweimal weggeputzt haben. So weit, so gut. Von diesem großkotzigen „Und schon wieder Deutscher Meister BVB“-Gesang krieg ich allerdings Pickel, und das nicht nur im Gesicht.
Nach unseren großen Erfolgen hat es jeweils keine fünf Jahre gedauert, da war nicht nur das Geld weg, sondern Borussia fast bankrott. Und das ist inzwischen dreimal passiert. Alle freuen sich auf Marco Reus. Ist ja auch ganz toll, dass er kommt, aber ich sehe vor meinem geistigen Auge auch noch goldkettchen-behängte Koryphäen wie Ikpeba, Sousa, Decheiver, Oliseh und Bobic über unseren Rasen stümpern, und da wird’s mir bei 17 Mio. € Ablöse für Reus ganz kalt um mein Borussen-Herz. Schon alles vergessen?
Rückblick 1:
1966 holt der BVB nach drei Meisterschaften und einem Pokalsieg den ersten Europapokal nach Deutschland und wird vorübergehend zum erfolgreichsten Verein der Nachkriegszeit. Die Prämien, bzw. „Aufwandsentschädigungen“ steigen, man ist ja jetzt schließlich wer. 1970 erschüttert der Bundesliga-Skandal die Nation. Arminia Bielefeld und RW Oberhausen versuchen die halbe Liga zu bestechen und finden mit Hertha BSC und – natürlich – Schande 04 korrupte Abnehmer. Deren Spieler schwören vor Gericht Meineide, der ganze Fußball wird unglaubwürdig, die Fans bleiben zu Hause, Borussia spielt vor 8.000 Zuschauern, kann die Kosten nicht mehr decken, muss Notverkäufe tätigen, und steigt 1972 mit einer halben Amateurmannschaft in die 2.Liga ab.
Rückblick 2:
Anfang der 80er-Jahre hat man sich wieder gefangen, der BVB wird Sechster in der Liga, die erste Europapokal-Quali seit 16 Jahren, es wird hoch gepokert. Dann das Aus in der ersten Runde gegen Glasgow, mindestens eine Trainer-Entlassung pro Saison, ausbleibende Sponsorengelder durch die Stahlkrise im Ruhrpott, hohe Verschuldung, Rücktritt des kompletten Präsidiums, Ernennung eines Notvorstandes durch das Amtsgericht Dortmund. Lokale Sponsoren retten den Verein noch so gerade vor dem Lizenzentzug, ein Jahr später Relegation gegen Fortuna Köln. Die Borussia wird zweimal in letzter Sekunde gerettet: 1985 finanziell und organisatorisch (Rauball), 1986 sportlich (Wegmann-Tor).
Rückblick 3:
Mitte der 90er steht der BVB im UEFA-Cup-Finale, nimmt einen Haufen Kohle ein, wird nach 32 Jahren wieder Deutscher Meister, holt parallel die halbe deutsche Nationalmannschaft aus Italien zurück, gewinnt als erster deutscher Verein die Champions League, baut das Stadion auf unfassbare 83.000 Zuschauer aus, aber letztlich blendet die erneute Meisterschaft 2002 das komplette Umfeld und übertüncht ein unüberschaubares Finanzdebakel. Der BVB zahlt Millionengehälter an satte Spieler und Funktionäre, geht Ende 2000 zu einem Zeitpunkt an die Börse, als die Herrschaften Niebaum und Meier längst das Gefühl für vernünftiges Wirtschaften und sinnvolle Transferpolitik verloren haben, und überhebliche Fans besingen den Gegner mit „Wenn wir wollen, kaufen wir Euch auf“. 2004 hat der BVB 119 Mio. € Schulden, die Transferrechte vieler Spieler sind an Privatpersonen verpfändet, die friedliche Dortmunder Presse spielt nicht mehr mit, Fans vereinigen sich zur Unity und gehen mit „Not for Sale“-Bannern durch die Stadt. Rauball wird zum dritten Mal Präsident und baut zusammen mit Watzke bis 2011 die Hälfte der Verbindlichkeiten ab – ERST die Hälfte.
Nicht falsch verstehen: ich will die Euphorie gar nicht bremsen. Wie Bolle freue ich mich, dass „Borussia Rekordmund“ mit dieser jungen Mannschaft zweimal Meister wird, dass wir regelmäßig München foltern, dass wir schon wieder im Allwetter-Zoo Geckenkirchen gewonnen haben, und dass alles noch durch das erste Double der Vereinsgeschichte gekrönt werden kann. Lasst uns feiern, bis der Bus rund ist, Dortmund ist der geilste Club der Welt, und diese Fan-Treue gibt es kein zweites Mal in unserem Land. Aber lasst dieses „Und schon wieder Deutscher Meister BVB“, dieses „Wir sind jetzt auf Augenhöhe mit den Bayern“ und dieses „Wir sind für die nächsten zehn Jahre ein Dauer-Rivale für München“! Sowas bekommt uns nicht.
Und noch was. Ein persönliches Bedürfnis meinerseits.
Direkt an den Präsidenten des FC Bayern München:
Du bist und bleibst ein gleichermaßen erfolgreiches wie arrogantes Sackgesicht mit einer Fresse zum Reinschlagen. Ich liebe es, wenn Du mit Deinem hochroten Kopf auf unserer Ehrentribüne sitzt und mit ansehen musst, wie unsere Rasselbande mit Deiner Weltauswahl Blinde Kuh spielt. Aber kein Mensch auf dieser Welt, Ulrich Hoeneß, braucht von Dir einen RITTERSCHLAG! Du bist kein König, Du bist kein Gott, Du bist gerade mal ein selbstverliebter Sterblicher, der 1976 seinen Elfmeter in den Nachthimmel von Belgrad geschossen hat. Watzke, fass!!!